Global Hiring
Author
Laura Bohrer
Date published
24.06.2025
Bei Start-ups und Scale-ups steht vor allem eins im Fokus: schnelles Wachstum. Damit das gelingt, brauchen Unternehmen aber die passenden Talente. In Zeiten des Fachkräftemangels stellt sich hier für viele wachstumsstarke Unternehmen bereits die erste Herausforderung. Hinzu kommen Budgetrestriktionen und der Druck, das Team schnell zu skalieren, um handlungsfähig zu bleiben und nicht von der Konkurrenz abgeschlagen zu werden.
In vielen Fällen ist das Einstellen von Mitarbeitenden im Ausland eine attraktive Option, um den verfügbaren Talentpool zu erweitern und qualifizierte Fachkräfte zu niedrigeren Kosten einzustellen, als es im Heimmarkt möglich wäre. Ein wichtiger Fallstrick ist hierbei allerdings das Einhalten der im Einsatzland des Mitarbeitenden geltenden Arbeitsgesetze und Vorschriften hinsichtlich Sozialversicherung, Vergütung und Besteuerung.
Genau hier kommt ein Employer of Record (kurz: EOR) ins Spiel. Als internationale Beschäftigungslösung bietet ein EOR Unternehmen die Möglichkeit, Mitarbeitende schnell, kostengünstig und rechtskonform im Ausland einzustellen, ohne eine eigene Betriebsstätte eröffnen zu müssen. Dabei stellt sich jedoch insbesondere für deutsche Unternehmen die Frage, ob das EOR-Modell unter den Geltungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (kurz: AÜG) fällt.
Was ist das AÜG und wie betrifft es Unternehmen mit internationalen Mitarbeitern? Wie unterscheiden sich EOR und klassische Arbeitnehmerüberlassung? Wann greift das AÜG bei der Zusammenarbeit mit einem EOR? Dieser Artikel bietet einen Überblick.
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) regelt in Deutschland die Überlassung von Arbeitnehmern durch einen Verleiher (i. d. R. eine Zeitarbeitsfirma) an einen Dritten (Entleiher) zur Erbringung von Arbeitsleistungen.
Im Detail bedeutet Arbeitnehmerüberlassung, dass ein Arbeitnehmer formal beim Verleiher angestellt ist, jedoch tatsächlich im Betrieb des Entleihers arbeitet, wobei er weisungsgebunden und in dessen Organisation eingegliedert ist.
Zentrale rechtliche Rahmenbedingung des AÜG umfassen:
Erlaubnispflicht: Verleiher brauchen eine behördliche Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit, um Arbeitnehmerüberlassung legal anbieten zu können (§ 1 AÜG).
Höchstüberlassungsdauer: Ein Leiharbeitnehmer darf maximal 18 aufeinanderfolgende Monate bei demselben Entleiher eingesetzt werden (§ 1b AÜG), sofern keine tarifvertragliche Abweichung gilt.
Grundsatz der Gleichstellung: Nach spätestens 9 Monaten Einsatzdauer hat der Leiharbeitnehmer (in der Regel) Anspruch auf das gleiche Entgelt wie ein vergleichbarer Stammmitarbeiter des Entleihers (§ 8 AÜG) - es sei denn, ein Tarifvertrag sieht anderes vor.
Kennzeichnungspflicht: Der Einsatz als Leiharbeitnehmer muss im Arbeitsvertrag ausdrücklich genannt sein und der konkrete Entleiher vor Beginn des Einsatzes schriftlich benannt werden (§ 1 AÜG).
Ein Employer of Record (EOR) ermöglicht Unternehmen die Beschäftigung von Mitarbeitenden im Ausland ohne eigene Niederlassung. Dabei wird der Arbeitsvertrag direkt zwischen dem EOR und dem Arbeitnehmer geschlossen. Gleichzeitig besteht ein Dienstleistungsvertrag zwischen dem EOR und dem auftraggebenden Unternehmen. Der EOR ist der formale Arbeitgeber, während das auftraggebende Unternehmen das fachliche Weisungsrecht hat.
Bei der klassischen Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich hingegen um eine temporäre Überlassung von Arbeitskräften zur Deckung von akutem Personalbedarf - und das innerhalb Deutschlands. Die Vertragsverhältnisse sind ähnlich wie beim EOR-Modell geregelt: Es existiert ein Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Arbeitnehmer und ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher.
Die Aufteilung in rechtliche Arbeitgeberrolle und fachliches Weisungsrecht ist identisch mit dem EOR-Modell. Arbeitnehmerüberlassung ist in Deutschland klar durch das AÜG geregelt, wohingegen es für EOR keinen eigenständigen Rechtsrahmen gibt.
Das Prinzip eines EOR ähnelt hinsichtlich der Vertragsverhältnisse und der Verteilung der Arbeitgeberrolle einer Arbeitnehmerüberlassung, allerdings braucht es eine differenzierte Betrachtungsweise. Denn EOR und Arbeitnehmerüberlassung unterscheiden sich sowohl in ihrem Zweck als auch in ihrem geografischen Geltungsbereich.
Ein Employer of Record ist in erster Linie für die internationale Expansion ohne eigene Niederlassung gedacht. Das bedeutet, dass das entleihende Unternehmen und die Mitarbeitenden in unterschiedlichen Ländern sitzen. Arbeitnehmerüberlassung findet hingegen innerhalb Deutschlands zur temporären Deckung von Personalbedarf statt. Trotzdem gibt es Szenarien, in denen das AÜG für EOR-Modelle relevant wird.
AÜG und EOR werden in Deutschland häufig in einem Atemzug genannt. Aber wann gilt eine EOR-Konstruktion als Arbeitnehmerüberlassung? Die Grenzen zwischen Employer of Record und Arbeitnehmerüberlassung verschwimmen, wenn folgende Faktoren zusammentreffen:
Der Arbeitnehmer ist in Deutschland tätig und wird von einem im Ausland sitzenden Unternehmen beschäftigt.
Sowohl der Auftraggeber (Endkunde) als auch der Mitarbeiter haben ihren Sitz bzw. Arbeitsort in Deutschland - unabhängig davon, ob der Mitarbeiter vor Ort oder remote arbeitet.
Im zweiten Szenario braucht es allerdings keinen Employer of Record, weil das Unternehmen ja bereits einen Sitz in Deutschland hat und Mitarbeitende direkt einstellen kann. Im Falle eines kurzfristigen Personalbedarfs würde eine klassische Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen des AÜG stattfinden.
Was bedeutet das jetzt für den Auslandseinsatz? Gilt das AÜG auch bei Remote-Arbeit aus dem Ausland? Der zentrale Aspekt, der bei Employer of Record das Risiko einer AÜG-Pflicht auslöst, ist der Inlandsbezug. Sobald deutsche Standorte, Kunden oder Arbeitsorte involviert sind, sollte daher eine arbeitsrechtliche Einzelfallprüfung erfolgen.
Wenn ein deutsches Unternehmen Mitarbeitende im Ausland beschäftigt, gilt jedoch kein AÜG, solange:
die Arbeitsleistung ausschließlich im Ausland erbracht wird,
der Mitarbeiter nicht an Dritte im Einsatzland überlassen wird, also keine Weiterverleihung stattfindet,
der EOR-Anbieter die arbeitsrechtliche Verantwortung trägt und kein Weisungsrecht durch das deutsche Unternehmen besteht, das über rein fachliche Steuerung hinausgeht.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat am 15. Oktober 2024 ihre fachlichen Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz aktualisiert. Einige der dort veröffentlichten Neuerungen betreffen auch die Nutzung von EOR-Modellen.
Traditionell galt bei der Bewertung der AÜG-Pflicht beim Einsatz von EOR das Territorialitätsprinzip. Das AÜG fand nur Anwendung, wenn die Arbeitsleistung in Deutschland erbracht wurde. Demnach war bei einer Tätigkeit ausschließlich im Ausland, selbst für einen deutschen Arbeitgeber, keine AÜG-Erlaubnis erforderlich. Kurz gesagt: Keine Tätigkeit in Deutschland, keine AÜG-Pflicht.
In der Neufassung der fachlichen Weisungen hat die Bundesagentur für Arbeit nun aber klargestellt, dass bei ortsunabhängiger Arbeit, wie Homeoffice oder Telearbeit, nicht allein der physische Aufenthaltsort des Arbeitnehmers entscheidend ist. Vielmehr wird berücksichtigt, ob die Arbeitsleistung ihre wirtschaftlichen Wirkungen in Deutschland entfaltet.
Die BA interpretiert das AÜG nun also so, dass eine Erlaubnispflicht für Arbeitnehmerüberlassung auch dann besteht, wenn:
Arbeitnehmer ausschließlich im Ausland tätig sind,
der EOR-Anbieter im Ausland ansässig ist,
die Arbeitsleistung jedoch wirtschaftlich in Deutschland verwertet wird.
Heißt konkret: Das AÜG würde auch auf grenzüberschreitende Konstellationen Anwendung finden, sofern ein ausreichender Inlandsbezug gegeben ist. In diesem Fall bräuchte der ausländische EOR-Anbieter folglich eine AÜG-Erlaubnis, wenn die Arbeitsleistung wirtschaftlich in Deutschland verwertet wird.
Bei den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit handelt es sich nicht um rechtsverbindliche Normen oder gerichtliche Entscheidungen, sondern um die eigene Verwaltungsauslegung der BA. Sie entfalten keine unmittelbare Bindungswirkung für Gerichte oder Unternehmen und stellen keine gesetzlich verbindlichen Grundsätze dar.
Allerdings markieren die neuen Weisungen einen deutlichen Kurswechsel in der Verwaltungspraxis, der reale Auswirkungen auf EOR-Modelle haben könnte, insbesondere bei der Erteilung oder Versagung von AÜG-Erlaubnissen sowie bei der Prüfung von Konstellationen mit potenzieller Arbeitnehmerüberlassung.
Zwei Fragen werden im Zusammenhang mit EOR-Modellen immer wieder gestellt:
Ist ein Employer of Record in Deutschland überhaupt legal?
Was müssen Unternehmen beim Einsatz von EOR im Ausland beachten?
Ja, ein Employer of Record (EOR) ist in Deutschland grundsätzlich legal. Bei EOR-Konstellationen, bei denen Mitarbeitende innerhalb Deutschlands beschäftigt werden, gelten jedoch die oben beschriebenen rechtlichen Einschränkungen durch das AÜG. Zentral ist in diesem Fall, dass der EOR-Partner über eine entsprechende AÜG-Lizenz verfügen muss.
Basierend auf den Bestimmungen des AÜG und den neuen fachlichen Weisungen sollten Start-ups und Scale-ups bei EOR-Konstellationen die folgenden kritischen Faktoren beachten:
Wirtschaftliche Verwertung in Deutschland: Selbst wenn die Arbeitsleistung im Ausland erbracht wird, kann eine AÜG-Pflicht bestehen, wenn das Ergebnis der Arbeit überwiegend in Deutschland wirtschaftlich genutzt wird.
Weisungsrecht und Integration: Übt das deutsche Unternehmen über die rein fachliche Steuerung hinaus organisatorische oder disziplinarische Weisungsbefugnis aus, oder ist der ausländische Mitarbeiter in die betriebliche Ablauforganisation integriert, kann dies auf eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG hinweisen.
Vermeidung von Inlandsbezug: Bereits kurzfristige oder gelegentliche Aufenthalte des Mitarbeiters in Deutschland (z. B. für Meetings, Projektarbeit oder Einarbeitung) können einen Inlandsbezug begründen, der eine AÜG-Erlaubnis erforderlich macht.
Diese Faktoren machen ein EOR-Modell nicht per se unzulässig oder illegal. Vielmehr bedeutet es, dass in bestimmten Konstellationen – insbesondere bei wirtschaftlicher Verwertung in Deutschland oder enger fachlicher/organisatorischer Einbindung – das Modell als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren sein kann. In diesen Fällen muss der eingesetzte EOR-Anbieter über eine gültige AÜG-Erlaubnis verfügen, damit die Beschäftigung rechtlich zulässig bleibt.
Was sind Best Practices für Startups beim internationalen Hiring über EORs? Wie können Unternehmen AÜG-konform über einen EOR expandieren? Wer grenzüberschreitend über einen EOR einstellt, sollte mögliche AÜG-Risiken im Blick behalten und auf eine saubere vertragliche sowie organisatorische Ausgestaltung achten.
Zu den Best Practices für EOR-Nutzung im internationalen Kontext gehören:
Verträge klar regeln: Die arbeitsrechtliche Verantwortung sollte vollständig beim EOR liegen, während das Weisungsrecht des Auftraggebers auf rein fachliche Anweisungen beschränkt bleibt, um rechtliche Risiken zu minimieren.
Arbeitsort dokumentieren: Es muss eindeutig nachgewiesen werden, dass die Mitarbeitenden ihre Tätigkeit ausschließlich im Ausland ausüben und keine relevanten Aufenthalte in Deutschland stattfinden.
Transparente Prozesse und Rollenverteilung: Bereits im Vorfeld sollte mit dem EOR-Anbieter geklärt werden, wie das Onboarding, die Vertragsgestaltung sowie die fachliche Steuerung der Mitarbeitenden organisiert und abgebildet werden.
Keine Eingliederung: Mitarbeitende sollten nicht dauerhaft in deutsche Teams oder betriebliche Abläufe integriert werden, um eine unerwünschte rechtliche Einordnung als Arbeitnehmerüberlassung zu vermeiden.
Rechtlich prüfen lassen: Jede EOR-Konstruktion sollte individuell von spezialisierten Fachjuristen geprüft werden, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt und Risiken minimiert werden.
Geeigneten Anbieter wählen: Die Zusammenarbeit sollte mit einem erfahrenen Partner erfolgen, der sowohl die deutschen Vorgaben kennt als auch die internationalen Besonderheiten berücksichtigt und Unternehmen bei der rechtskonformen Ausgestaltung ihres internationalen Hiring-Modells proaktiv unterstützt.
Lano unterstützt Sie bei der internationalen Beschäftigung mit rechtskonformen Lösungen und transparenten Verträgen. Als deutsches Unternehmen sind wir mit den regulatorischen Anforderungen rund um das EOR-Modell bestens vertraut und können Sie umfassend beraten.
Wir arbeiten mit einem Netzwerk aus erfahrenen EOR-Partnern zusammen, die langjährige Erfahrung im Bereich der grenzüberschreitenden Beschäftigung haben und sich darum kümmern, dass sie bei der Beschäftigung von Mitarbeitenden im Ausland rechtskonform bleiben. Buchen Sie sich eine Demo mit einem unserer Experten, um mehr zu erfahren.
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